Supermann, wer bist du?

Foto: Fulbert Hauk
Am vergangenen Freitag startete im EinTanzHaus die neue Spielzeit, unter anderem mit dem Solostück „Supermann“ von Regisseur und Choreograf Éric Trottier. Bei dem Stück geht es um Identität und zwar nur darum. Wie versteht ein Superheld von einem anderen Planeten unsere heutige Zeit und Gesellschaft, wie unsere Konflikte und Diskussionen? Was macht eine Identität im Zeitalter von Hashtags und Likes aus?
Zur Premiere am 08. Juni habe ich im Uni[ma]gazin bereits einen Artikel dazu veröffentlicht, den ich hier mit euch teilen möchte:

Wie ein Schmetterling aus seinem Kokon

Während auf der gut gefüllten Sitztribüne noch fröhlich geplaudert wird, schreitet ein Mann im rot-blauen Superhelden-Aufzug auf die schwach beleuchtete Bühne. Evandro Pedroni ist der Tänzer des Abends, der den Supermann in der circa einstündigen Performance verkörpert. Die wohl passendste Bezeichnung für das nun Folgende ist das Wort Metamorphose. Nur mit Hilfe seines Körpers und des Elastan-Kostüms produziert der Tänzer Formen und Figuren, die von grotesk bis komisch, von komplex bis zweidimensional anmuten. Dabei dreht, dehnt und verformt er sein Superman-Kostüm bis zur Unkenntlichkeit. Am Ende des Prozesses, mittlerweile mit beiden Beinen in einem Hosenbein steckend, windet er sich aus dem Kostüm, wie ein Schmetterling aus seinem Kokon. Übrig bleibt nur das Cape. Doch anders, als bei einem Schmetterling, will bei Supermann hier auf der Erde eines einfach nicht klappen: Die Sache mit dem Fliegen. Egal, wie viel Anlauf er nimmt, wie er seinen Umhang in die Höhe wirft oder mit wie viel Kraft er sich vom Boden abstößt. Die komödiantischen Bemühungen des Helden sorgen dabei für einige Lacher im Publikum. 

Supermann am Rande der Reizüberflutung

Im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Boden der Tatsachen angekommen wird die Stimmung fortan ernster. Schnelle, roboterartige Bewegungsabläufe bestimmen die nächsten Minuten. Dabei schafft es der Tänzer seinen Bewegungen den Ausdruck zu verleihen, als wäre er gar nicht Herr über eben diese.  Als würde er in zig Richtungen gezogen und geschubst werden, als wüsste er überhaupt nicht, was da vor sich geht unter den diversen Einflüssen und Impulsen, denen er gleichzeitig ausgesetzt zu sein scheint. Treibende Bässe und schnelle Lichteffekte (möglicherweise nicht zu empfehlen bei Anfallskrankheiten) unterstützen den Eindruck der Reizüberflutung.

Ein Spiel mit bekannten Rollen

Der Mann, der sein Super verloren hat und kräftig von der Welt durchgeschüttelt wurde probiert nun verschiedene Identitäten an. Dabei spielt  Choreograf Éric Trottier mit politischen, religiösen und geschlechterspezifischen Rollen. Eine großartige Lichttechnik sorgt dafür, dass man immer wieder einen neuen Blick auf den Protagonisten bekommt und diesen wortwörtlich in neuem Licht erscheinen lässt. 

Digitales Zeitalter: laut, schrill, unübersichtlich

Der nächste Atmosphärenwechsel befördert den Zuschauer ins Hier und Jetzt. Das heißt ins digitale Zeitalter. Und das ist vor allem laut, schrill und unübersichtlich. Bunte LED-Lichter hängen von der Decke. Mit einer beeindruckenden Gesangseinlage Pedronis werden Befindlichkeiten und geistige Ausfälle des alltäglichen Social-Media-Wahnsinns plakativiert und ad absurdum geführt. Wie einfach man, beziehungsweise Supermann sich darin verlieren könnte. 

Die Frage, die bleibt

Einen kompletten Abend als Solo zu gestalten ist ein Wagnis, das den Mitwirkenden an diesem Stück zweifellos geglückt ist. Nicht nur erweist sich Evandro Pedroni als Multitalent in Sachen Tanz, Schauspiel und Gesang, auch Éric Trottiers inspirierte, abwechslungsreiche und humorvoll, ironische Art das Material choreografisch umzusetzen macht Spaß beim Zusehen.  Die eigens dafür komponierte Musik und die präzise Lichtgestaltung machen das Stück zu einem Gesamtkunstwerk, das uns mit Fragen zurücklässt, die wir uns am Ende doch nur selbst beantworten können: Wer sind wir? Und wer wollen wir sein? Ein Stück, das Diskussionen anregen kann. 


Foto: Fulbert Hauk


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